Hans Mutzbauer
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Geschichten aus Altbayern: Auf die gute, alte Zeit

(…) Einen Blick in die Vergangenheit wirft auch die in Traxl bei Ebersberg beheimatete Bildungswissenschaftlerin Maria Weininger in ihrem Buch „Geschichten und Anekdoten aus Altbayern“.

Die Autorin erzählt keine Märchen, sie beschreibt eine Welt, die nur wenige Jahrzehnte zurückliegt, die aber nur noch wenigen Zeitgenossen bildhaft vor Augen ist. Maria Weiningers Altbayern ist räumlich begrenzt. Ihre reich bebilderten Geschichten spielen sich vorwiegend im Landkreis Ebersberg ab. Die Autorin, die hier ihre Wurzeln hat und ihrer Heimat bis heute treu geblieben ist, lässt eine Zeit aufleben, die jüngere Generationen getrost für ein Märchen halten könnten.

Es ist die Zeit zwischen 1960 und 1970. Der Leser – der etwas ältere Leser – sieht sich mit Bildern seiner Jugendzeit konfrontiert. Damals als Buben und Mädchen noch keine Kids waren, die Buam auf der Wiese noch Indianer, die Mädchen noch mit Puppen und noch nicht mit dem Handy spielten. Als die Glotze noch keine Rolle spielte und Grafinger Hausfrauen in der gemeindlichen Waschanstalt – sie wurde im Jahre 1960 geschlossen – Hemden, Hosen und Unterwäsche in einem Bottich eintauchten. Der weiße Riese war noch nicht erfunden.

Maria Weininger – Jahrgang 1955 – erinnert sich an ihre Kindheit und vermeidet es tunlichst, diese Zeitspanne zu glorifizieren. Nur selten, wenn überhaupt, erweckt sie den Eindruck, dass sie der guten alten Zeit ernsthaft nachtrauert. Die gute alte Zeit – für ihre Rekonstruktion klopfte die Autorin an viele Türen im Landkreis, ließ sich Geschichten erzählen und stöberte Bilder auf, die manchmal wie vergilbte und unwirkliche Zeitdokumente wirken.

Trotzdem: Nachdenklich machen ihre Entdeckungen schon. War’s wirklich gemütlicher früher, vor dem Aufbruch in eine hektischere Welt?

Vielleicht war’s gemütlicher, bevor Twist und Rock’n Roll die Volksmusik ablösten, die Blasmusik noch nicht mit der Musikbox konkurrieren musste, der Trachtenjanker noch gängiges Kleidungsstück war und die Ebersberger noch mit dem Radl zum Wendelstein unterwegs waren.

Eine unterhaltsame und lehrreiche Lektüre, die dem Leser vor Augen hält, was vor gar nicht allzu langer Zeit „in“ war – und später ein alter Hut. Der Kramerladen beispielsweise, damals Mittelpunkt im dörflichen Lebens, der Hufschmied oder der Milchladen, alles Dinge, die selbst die Alten längst aus ihrem Gedächtnis gestrichen oder wenigstens verdrängt haben.

Die Erinnerung an durch die Bank aufgekieste Straßen, an Tante-Emma-Läden, die längst Supermärkten weichen mussten und an eine unbeschwerte Kindheit – all diesen schon verblasst scheinenden Bildern verleiht Maria Weininger kräftige Konturen.

Ihre Geschichten und Anekdoten sind ein mehr als ein Zeitdokument, eine Art Heimatbuch, das uns bewusst macht, wie schnelllebig die Zeit doch ist. Ein Buch, das nicht nur den Alten, sondern auch der Jugend viel zu sagen hat. Es ist soeben erschienen im Wartberg Verlag und zum Preis von 11 Euro im Buchhandel erhältlich. Eine gute Investition für alle Leser, die nicht nur in die Zukunft blicken.